1/2001

Jänner/Februar 2001

Editorial


Schwerpunkt: "Medizingeschichte"

Mord durch Hunger
"Wilde Euthanasie" und "Aktion Brandt" am Steinhof in der NS - Zeit

Peter Schwarz

Beitrag

Nach dem offiziellen Stopp der Aktion T4 fand die NS-Euthanasie an Behinderten ab 1941 in Form der "wilden Euthanasie" ihre Fortführung mit anderen Mitteln: Ressourcen, Räumlichkeiten und Personal wurden freigesetzt und die Sozialkosten drastisch reduziert; kriegswirtschaftliche Motive gewannen vor dem Hintergrund des "totalen Krieges" an Bedeutung. Für die Wiener Heil- und Pflegeanstalt Steinhof bedeutete dies, verschärft durch Transporte aus dem Altreich (v.a. Aktion Brandt), völlige Überbelegung, Nahrungsmittelentzug und pflegerische Vernachlässigung. 1942-45 fielen 3500 Patienten der Anstalt dem organisierten Hungersterben, das unter der Leitung Dr. Hans Berthas 1944/45 explosionsartig zunahm, zum Opfer.

 

Forschen ohne Skrupel
Die wissenschaftliche Verwertung von Opfern der NS-Psychiatriemorde in Wien

Herwig Czech

Beitrag

Die histologischen Präparate, die aus den Gehirnen der in der Kinderfachabteilung der Wiener Klinik "Am Spiegelgrund" im Rahmen der NS-Kindereuthanasie 1940 bis 1945 ermordeten Kinder angefertigt wurden, dienten nach dem Krieg Dr. Heinrich Gross jahrzehntelang als Grundlage seiner umfangreichen Forschungs- und Publikationstätigkeit. Die wissenschaftliche Forschung an den Euthanasie-Opfern war dabei mehr als eine nachträgliche Verwertung zufälliger Überreste, sondern -gerade im Fall der Kindereuthanasie- ein grundlegender Bestandteil der NS-Vernichtungspolitik.

 

"Pathologisierung des Ungehorsams"?
Die Bedeutung der Militärpsychiatrie für  die Tiroler Militärgerichtsbarkeit im Ersten Weltkrieg

Oswald Überegger

Beitrag

Die in der Kriegspsychiatrie vorherrschende Orientierung psychischer Gesundheit am Idealbild des opfer- und kampfbereiten Soldaten zog eine "Pathologisierung des Ungehorsams" nach sich, die jede Form militärischer Devianz in die Nähe einer Geisteskrankheit zu rücken suchte, vor der die eigentlichen Ursachen zunehmender militärischer Verweigerung im Krieg in den Hintergrund treten konnten. Militärische Dysfunktionalität schien innerhalb der Militärpsychiatrie nur über die Krankheitskategorie denk- und verstehbar. Die Bedeutung der Kriegspsychiatrie für die Militärgerichtsbarkeit lag in der forensischen Exklusivität psychiatrischer Gutachten. Sie entschieden letztlich mit über eine eventuelle Verurteilung der Angeklagten. "Zwar hatten am Ende noch Richter das letzte Wort, doch das Urteil, das sie fällten, zog lediglich - bestätigend oder verwerfend - die Konsequenz aus der ärztlichen Diagnose."

 

Jüdische Studentinnen an der Medizinischen Fakultät in Wien

Michaela Raggam

Beitrag

Am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte an den Universitäten und innerhalb der Wissenschaft die Vorstellung, daß Frauen nicht in der Lage wären, ein akademisches Studium zu absolvieren. Die Universitäten, die in gewisser Weise für junge Studenten eine Initiationsfunktion innehatten, öffneten sich nur sehr zögerlich dem Frauenstudium. In diesem von Vorurteilen und Ressentiments geprägten Umfeld beginnen ab 1900 die ersten Frauen an der Wiener Medizinischen Fakultät zu studieren. Unter ihnen ein hoher Prozentsatz Jüdinnen. Angetrieben wird diese erste Generation von Studentinnen von einer Aufbruchstimmung und einem starken Freiheitsbedürfnis. Den familiären Wurzeln der jüdischen Studentinnen und dem Alltag an der Medizinischen Fakultät bis hin zur Vertreibung 1938 und dem Neubeginn in der Emigration wird hier auf der Basis von lebensgeschichtlichen Erzählungen nachgegangen.

 
 
 
 
 

"Geschichte und Internet"

Zeitgeschichtsforschung und Internet
ZIS (Zeitgeschichte-Informations-System) als Beispiel

Ingrid Böhler

Beitrag

Unter den zeitgeschichtlichen, wissenschaftlich orientierten Internet-Angeboten im deutschsprachigen Raum zählt das 1995 als online-Dienst realisierte Zeitgeschichte-Informations-System (ZIS) zu den Pionier-Projekten. Die Idee, die Disziplin in organisatorischer und kommunikativer Hinsicht besser zu vernetzen, mündete in den Aufbau einer Datenbank, mit der ca. 750 zeitgeschichtlich relevante Links verwaltet und mit Informationen versehen werden. Darüber hinausgehend sorgen ein Internetkalender, Quellensammlungen bzw. Chronologien zur österreichischen Zeitgeschichte bzw. zur europäischen Integration und eine Dokumentation zur Geschichte Südtirols für steigende Zugriffszahlen.

 

Link zum Gratisdownload eines pdf-Viewers