Von Anfang an war das "eForum zeitGeschichte" in erster Linie als redaktionell betreute Plattform konzipiert, die - unter strikter Wahrung wissenschaftlicher Qualitätsstandards - das laufende Forschungsgeschehen aufgreift und möglichst ohne Verzögerungen und Beschränkungen als elektronische Publikation zugänglich macht. Ungeachtet dieser "Forumsfunktion" erscheint es uns aber sinnvoll, bewusst hie und da auch inhaltliche Akzente zu setzen. Nach dem medizingeschichtlichen Schwerpunkt der ersten Ausgabe (1/2001) und neben der dauerhaft angelegten Aufsatzreihe zum Themenkomplex "Internet und Geschichte" schließt nun der bereits zweite Jahrgang des "eForum zeitGeschichte" mit einer außergewöhnlich umfangreichen Doppelnummer, die mit gleich drei neuen Themenblöcken aufwarten kann:
Den Beginn macht (auf Anregung und
mit dankenswerter Unterstützung von Heidemarie Uhl) unter dem Titel "Generation
und Gedächtnis" ein thematischer Schwerpunkt zur zweiten "Wehrmachtsausstellung"
Hatte die Ausstellung in ihrer ursprünglichen Fassung noch die - auch stark emotionalisierende - Wirkung der Bilddokumente aus dem Vernichtungskrieg öffentlichkeitswirksam in den Mittelpunkt gerückt, setzte sie im zweiten Anlauf ganz auf nüchterne Kontextualisierung, die den Gegnern kaum noch Angriffspunkte bot. Damit haben die Ausstellungsmacher auf die fachinterne wie öffentliche Kritik reagiert, die sich an einzelnen Fotografien entzündet hatte.
Auch wenn die mediale Auseinandersetzung um den Einsatz des fotografischen Bildmaterials bei der "Wehrmachtsausstellung" bloß ein willkommenes Scheinargument der Gegner gewesen sein mag, um mit den Angriffen gegen diese - in Wahrheit nur punktuellen - Schwachstellen die in ihren Grundaussagen nicht ernstlich angreifbare Ausstellung als Ganze aus den Angeln zu heben: Für die geschichts- und kulturwissenschaftliche Diskussion um die Tücken und Chancen der Quellengattung Fotografie hingegen erwies sich die Debatte als durchaus fruchtbar.
Anknüpfend an die (wie zu zeigen
sein wird: nicht zufällig) emotionsgeladene Debatte über die ersten Ausstellung
schlägt Gerald Lamprecht im zweiten Themenschwerpunkt, der sich dem Bereich
"Fotografie und Zeitgeschichte" zuwendet, einen Bogen zur biografisch-wirklichkeitssichernden
Funktion privater Kriegsfotografien und -alben. (In diesem Zusammenhang sei
auch auf den Themenschwerpunkt "Krieg und Fotografie" in der aktuellen Doppelnummer
der Zeitschrift "Fotogeschichte"
Die folgenden Beiträge des Fotografie-Schwerpunkts stellen zwei künstlerische Initiativen vor, die an der Schnittstelle von Geschichte und Gedächtnis, Geschichtswissenschaft und künstlerischer, fotografischer Herangehensweise agieren: Der Aufsatz von Gert Tschögl und Eva Brunner-Szabo präsentiert die Arbeit der Initiative "memoryPROJECTS" in Österreich und Katalonien. Verstanden als (im virtuellen wie im öffentlichen Raum operierendes) "Museum der Erinnerung", das künstlerische Intervention und historische Dokumentation zugleich ist, will das Kunstprojekt das Spannungsfeld von Fotografie und Text, von individueller Erinnerung und kollektivem Gedächtnis ausloten.
Im dritten Beitrag präsentiert der Historiker und Fotograf Arno Gisinger seine für die Ausstellung "Vom Großvater vertrieben, vom Enkel erforscht? Zivildiener in New York" konzipierte Fotoserie über jüdische Emigranten in New York.
Daran unmittelbar anknüpfend illustriert
unser dritter Schwerpunkt "Emigration - Immigration" den Kontext der
vor wenigen Monaten im Jüdischen
Museum in Wien
Darüber hinaus umfasst auch diese Doppelnummer des "eForum zeitGeschichte" neue Beiträge zu unserer langfristig angelegten Aufsatzreihe zum Themenkomplex "Internet und Geschichte". Diesmal befassen sich allerdings zwei weit über den fachspezifischen Diskurs hinausgreifende Aufsätze in globalerer Perspektive mit Fragen zum Verhältnis von Wissenschaft und Internet. Als elektronische Parallelveröffentlichung ihres Vortragstextes anlässlich der von der Heinrich-Böll-Stiftung 2002 organisierten Veranstaltung "Digitales Urheberrecht - Zwischen 'Information Sharing' und 'Information Control'" erörtert zunächst Gabriele Beger die Befürchtung der Bibliotheken, angesichts der Reform des deutschen Urheberrechtsgesetzes ihrem Informationsauftrag nur noch ungenügend nachkommen zu können. Daran anschließend schildert Diann Rusch-Feja am Beispiel einiger internationaler E-Publishing-Initiativen aus der (Natur-)Wissenschaft, wie eine Antwort auf die restriktive Haltung mancher Wissenschaftsverlage aussehen könnte, um die Wissenschaft in den Händen der Wissenschaftler/innen zu belassen.
R.U./G.L.
Links zur Wehrmachtsausstellung:
www.Verbrechen-der-Wehrmacht.de
Hamburger Institut für Sozialforschung
Online-Forum zur alten und neuen "Wehrmachtsausstellung" (NFH)
memoryPROJECTS:
Links zu Arno Gisinger:
Atelier für Fotografie und Visual History
Ausstellung inventARISIERT (2000)
Links zur Austrian Heritage Collection (Ausstellung Gedenkdienst in New York):
JMW: "Vom Großvater vertrieben ..."