Der vorliegende Sammelband, der eine Publikation des Militärwissenschaftlichen Büros des Bundesministeriums für Landesverteidigung darstellt und auf einer nicht näher bezeichneten Tagung beruht, versucht, weitere Einblicke besonders in bisher unbeleuchtete Aspekte der Geschichte Österreichs im frühen Kalten Krieg zu geben. Programmatisch hält Herausgeber Erwin Schmidl in seiner "Einleitung und Zusammenfassung" fest, daß die "Wirkungen ausländischer Krisen auf Österreich" mit den spezifischen "Aktionen" bzw. Planungen im Mittelpunkt der Darstellungen gestanden seien; Österreich sei demnach in der internationalen Arena "mehr Objekt als Subjekt" und daher nie ein "Sonderfall" gewesen (S. 7f). Die zeitliche Eingrenzung ergebe sich aus dem Kriegsende 1945 sowie der so maßgeblichen "Libanonkrise" mit den US-Überflügen 1958 und ihrem entscheidenden Einfluß auf die Neutralität Österreichs.
Die Beiträge beschäftigen sich großteils mit der US-amerikanischen Seite, wobei den Auftakt ein sehr gelungener Überblick von Günter Bischof zur Historiographie bildet. Nach dem Traditionalismus, Revisionismus und Post-Revisionismus befinden wir uns derzeit in einer Phase der Paradigmenvielfalt unterschiedlichster Erklärungsversuche zum Kalten Krieg, in der laut Bischof wohl die erstaunliche "Hebelkraft der Schwachen", der Klein- und Mittelstaaten, der interessanteste neue Ansatz sein könnte (S. 31f). Der in New Orleans lehrende Wissenschaftler hat ja erst kürzlich eine Monographie zu "Austria in the First Cold War, 1945-55: The Leverage of the Weak" vorgelegt. Ausgehend von der US-Geschichtsschreibung werden auch österreichische Periodisierungsversuche analysiert und einzelne Schulen wie in Wien unter Gerald Stourzh und in Innsbruck unter Rolf Steininger geortet. Eine Liste von Forschungsdesiderata schließt den Aufsatz ab, der weit mehr bietet, als sein schlichter Titel mit dem Hinweis auf eine "Einführung" vermuten läßt.
James Carafanos englischsprachiger Beitrag zu "U.S. Army Intelligence Operations" in Österreich 1945-1948 war in einer ähnlichen Version bereits in den "Contemporary Austrian Studies" zu finden. Zentral ist hierbei der Paradigmenwechsel der US-Amerikaner, die im Lichte des Kalten Krieges ab Mitte 1947 "plötzlich" sowjetische Handlungen als Bedrohung ansahen, die sie noch 1945/46 ignoriert oder allenfalls registriert hatten (S. 71). "Spionage-Experte" Siegfried Beer bricht dann erneut eine Lanze für den Forschungsbereich der "Intelligence Studies". Aufbauend auf zahlreichen Forschungen - eine Monographie ist demnächst zu erwarten - präsentiert der Grazer Historiker eine Rundschau über die Tätigkeit der US-Geheimdienste im Besatzungsjahrzehnt.
Bei Arnold Kopeczek findet man leider doch nicht so viele Informationen zu den US-Waffenlagern in Österreich wie erhofft, was aber auch mit der schwierigen Quellenlage zusammenhängt. Zunächst wird die Parteien- und Innenpolitik überlang dargestellt, ehe die gewerkschaftliche "Einsatzgruppe" des späteren Innenministers Franz Olah als "wahrscheinlich von der CIA" finanziert bezeichnet wird (S. 111). Der Autor erwähnt in diesem Zusammenhang auch die 1996 entdeckten und geräumten CIA-Waffenlager, Stichwort "Gladio", sowie die Zusammenarbeit der österreichischen Staatspolizei mit westlichen Nachrichtendiensten. Daß vor allem Olah "aus historischer Sicht" "großer Dank" (S. 117) für sein antikommunistisches Auftreten gebühre, geht aber dann doch zu weit.
Edda Engelke kann erste Ergebnisse zum Thema "Spionage gegen die Sowjetunion" anhand ehemals sowjetischer Akten vorlegen. Zwar sei es für eine quantifizierende Analyse noch zu früh, anhand der geschilderten Einzelfälle wird jedoch klar, welch drastisches Vorgehen, ja welche Willkür, Militärtribunale und Sonderkommission OSO der Sowjets an den Tag legten. Abseits des bereits bekannten Schicksals Margarethe Ottilingers wird hier veranschaulicht, unter welch vagen Anschuldigungen und Fakten einfache Zivilisten auf offener Straße in Niederösterreich entführt und teils jahrelang in einem GULAG in strikter Isolation mit jahrelangem Schreibverbot ihr Leben fristen mußten - Maßnahmen, die "wohl nicht zuletzt der Abschreckung dienen sollten" (S. 135).
Nur Rudolf Jerabeks Beitrag in diesem Band beschäftigt sich mit den im Untertitel genannten "Partisanen", in der Tat, wie der Autor meint, einem praktisch unbekannten Kapitel österreichischer Zeitgeschichte. Aufgrund all der "Glücksfunde" an Akten wird in diesem Teil- und Zwischenbericht - in Vorbereitung einer Monographie - Mosaikstein an Mosaikstein gereiht: von den ukrainischen Partisanen 1947/Anfang 1948 auf dem Rückzug gen Westen nach/durch Österreich bzw. deren Aktivitäten an der österreichisch-tschechoslowakischen Grenze, über die Anschläge jüdischer Partisanen gegen angloamerikanische Einrichtungen in Österreich 1946-1948 bis hin zu den Kampftätigkeiten antikommunistischer jugoslawischer Partisanen gegen die jugoslawische Geheimpolizei im österreichisch-slowenischen Grenzgebiet in den späten 1940er Jahren.
Auch Erwin Schmidls Beitrag zur geplanten westlichen Luftversorgung Wiens im Falle einer sowjetischen Blockade 1948-1953 ist bloß eine aktualisierte Fassung eines bereits 1998 in "Geschichte und Gegenwart" erschienenen Aufsatzes. Nichtsdestotrotz ein gelungener Überblick, der die "echte Gefahr" eines kommunistischen Putschversuches - wie sie sich den westlichen Alliierten und den Österreichern nach dem Prager Coup von 1948 stellte - als solche benennt (S. 176). Daß Wien "anders" war als Berlin, ergab sich allein aus der Tatsache, daß dort die westalliierten Flugplätze Tulln und Schwechat außerhalb der Stadt und damit im sowjetischen Gebiet lagen. Eben gegen diese Gefahr, "trapped" zu sein, mußte etwas unternommen werden. Die Maßnahmen reichten von der Aufstockung der Vorräte - Operation "Squirrel Cage" mit notwendigen rund 4.000 Tonnen Versorgungsgütern pro Tag für ganz Wien (!) - bis hin zur Suche nach einem Flugplatz, den die US-Amerikaner in der Simmeringer Haide nahe Kaiser-Ebersdorf gefunden zu haben glaubten. So zeigt auch diese Episode, wie Österreich ebenfalls ein zentraler Schauplatz des Ost-West-Konflikts war.
Bruno Koppensteiners Ausführungen zu "Béthouarts Alpenfestung", also zu den französischen militärischen Vorbereitungen in (Nord-)Tirol und Vorarlberg, füllen mitsamt Anhang aus Plänen, Dokumenten und Fotos knapp über 40 Seiten und damit fast ein Sechstel des Buches. Anhand aufschlußreicher Dokumente aus dem Verteidigungsministerium und dem Tiroler Landesarchiv lassen sich nicht nur der konkrete Aufbau der B-Gendarmerie und die vage Erfassung der Wehrfähigen im Rahmen eines "Aufgebots" aufzeigen, sondern vor allem der Ausbau eines Sperrsystems in Form von Sprengvorbereitungen in Brücken, Tunnels und an Straßenengstellen belegen. Diese Sperren - zum Teil ohne Einverständnis bzw. Wissen der Tiroler Behörden unter Landeshauptmann Alfons Weißgatterer 1948-1952 errichtet - sollten die Inbesitznahme des westlichen Österreichs im Falle eines sowjetischen Vorstoßes verhindern oder zumindest verzögern. Daß bei der französischen Entscheidungsfindung ein gewisses "Anschluß-Syndrom" (Angerer) und damit auch eine gewisse Kontrolle der Österreicher mit eine Rolle spielte, ist durchaus plausibel (S. 228f).
Walter Blasis Aufsatz zur "Libanonkrise" ist der einzige des Bandes, der sich der Zeit nach der Zäsur von 1955 widmet. Detailreich wird der "Eiertanz" (S. 247) der österreichischen Regierung - lavierend zwischen West und Ost, mit einem Washington beschwichtigenden Außenminister Leopold Figl und einem nach Osten (sch)wankenden Bundeskanzler Julius Raab - aufgezeigt. Doch bestimmte dieses Ereignis nicht, wie der Autor gleich einleitend schreibt, "letztlich" "die künftige Linie der österreichischen Neutralitäts- und Außenpolitik". Das österreichische Pendelverhalten zwischen Washington und Moskau hatte hierbei wohl viel eher eine weitere Probe zu bestehen, die das weitere Verhalten mitbestimmte. Neue Herausforderungen sollten mit dem Chruschtschow-Besuch in Österreich 1960 und dem Wiener Gipfeltreffen 1961 alsbald kommen - was auch in Schmidls Einleitung/Zusammenfassung außer Acht gelassen wird (siehe S. 7, 12). Ob außerdem, laut Blasius, wirklich bis 1955 eine "zweifellos" vorhandene Bevormundung Österreichs durch die westlichen Besatzungsmächte gegeben war (S. 240) und die Sowjetunion den Wirbel um die US-Überflüge in einem "geradezu genialen" Doppelansatz (KPÖ als "Böse", Moskau als "Gute") (S. 257f) eindeutig auszunutzen verstand, ist ebenfalls kritisch zu hinterfragen. Das "Einfrieren" der ERP-Gelder durch US-Botschafter H. Freeman Matthews bis1960 - als Folge des österreichischen Verhaltens, besonders Raabs, - wird überhaupt nicht erwähnt.
Der Sammelband wirkt auf den ersten Blick disparat zusammengestellt. Der Untertitel versucht per Spagat, alle Beiträge durch drei Schlagworte irgendwie zusammenzufassen. Auf den zweiten Blick bietet der Band aber sehr wohl eine ganze Palette neuer Erkenntnisse vor allem zu bisher unterbelichtet gebliebenen Aspekten der Geschichte Österreichs im frühen Kalten Krieg. Ein Verdienst ist die versuchte Einbettung der Situation Österreichs in den internationalen Kontext, den vor allem die Beiträge von Bischof, Beer und Schmidl unterstreichen. Kurzum: Eine wichtige Ergänzung zur Geschichtsschreibung des Kalten Krieges in Österreich, abgerundet durch ein hilfreiches Namen-, Orts- und Sachregister.